Im Jahre 1963 wurde in Europas größtem Landschaftstierpark das nach dem bekannten Zoologen Alfred Brehm benannte Raubtierhaus errichtet. Mit einer Fläche von rund 5.300 m² war das vom Architekten Heinz Graffunder entworfene Gebäude das größte und modernste Raubtierhaus der damaligen Zeit. Inzwischen steht das Haus unter Denkmalschutz. Bei der Anpassung an eine moderne Tierhaltung stellt das eine besondere Herausforderung dar. Ein Umbau ist jedoch dringend notwendig, da auch ein Gutachten zur Haltung von Säugetieren festgestellt hat, dass das historische Alfred-Brehm-Haus den dort lebenden Großkatzen keine zeitgemäße Unterkunft mehr bieten kann. An einem denkmalgeschützten Gebäude sind bauliche Veränderungen jedoch nur bedingt umsetzbar. Eine Möglichkeit, um den Tieren mehr Fläche und Abwechslung zu verschaffen, besteht darin, die Anzahl der Tiere gezielt zu reduzieren und Gehege zusammenzulegen. Für einen Großteil der Tiere bedeutet dies eine Verdoppelung ihrer bisherigen Gehegegröße. Für andere Tierarten wiederum werden neue, vergrößerte Außenanlagen errichtet.
Qualität statt Quantität: Was für Besucher auf den ersten Blick nach einem Verlust klingen mag, ist jedoch eine wertvolle Bereicherung für Mensch und Tier. Im Zuge des Umbaus soll das Haus nicht nur architektonisch an die Ansprüche eines modernen Zoos angepasst werden. Auch dem Bildungsauftrag soll im neuen Regenwaldhaus eine größere Bedeutung zukommen. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Aufklärung über die Bedrohung von Tigern gelegt. Den Besuchern sollen nicht nur die Ursachen, sondern auch Lösungsansätze verdeutlicht werden.
Auch wenn für den Außenstehenden der Eindruck entsteht, als seien die Umbaupläne bisher noch nicht vorangekommen, so laufen die Vorbereitungen hinter den Kulissen in Wirklichkeit auf Hochtouren. Arbeitssicherheit und Brandschutz müssen bei den Planungen genau so berücksichtigt werden wie defekte Grundleitungen. Alte Gebäude halten für die Bauherren oft viele Überraschungen bereit, die erst bei genauer fachlicher Prüfung zutage treten. Der Baubeginn ist für Anfang 2017 geplant und für das Projekt sind rund 6 Millionen Euro vorgesehen. Bevor die Bauarbeiten richtig starten können, muss zunächst jedoch ein Teil der bisherigen Bewohner ausquartiert werden. Weil sie nicht nur übergangsweise in einem anderen Zoo untergebracht werden sollen, müssen die Koordinatoren der jeweiligen Erhaltungszuchtprogramme einen geeigneten Ort mit passendem Partner für die Großkatzen finden, um sicherzustellen, dass sie auch zukünftig einen Beitrag zur Erhaltung ihrer bedrohten Art leisten können. Auch das war eine Aufgabe, die in den letzten beiden Jahren erledigt wurde.
Nachdem die Montana-Pumas, Amur-Leoparden, der Schwarze Panther und zuletzt die Indische Löwin Shakira den Anfang gemacht haben, wurde für unsere vierjährige China-Leopardin May nun der ungarische Zoo Debrecen als neue Heimat auserkoren. Er ist Mitglied in der European Association of Zoos and Aquariums (EAZA) und setzt sich ebenfalls für den Schutz bedrohter Arten ein. Die Zahl der aus dem Norden Chinas stammenden Leoparden in ihrem natürlichen Lebensraum ist nicht bekannt und der Tierpark Berlin hat eine Schlüsselrolle im europäischen Erhaltungszuchtprogramm. „Nordchinesische Leoparden haben eine besondere Bedeutung für den Tierpark Berlin und wir für sie“, erklärt Christian Kern, Kurator für Säugetiere im Tierpark. „Seit 1959 halten wir diese Art ohne Unterbrechung, seit 1961 gelingt die Nachzucht und wir leisten seitdem einen kontinuierlichen Beitrag zum Arterhalt. Die Entscheidung über die Unterbrechung der Haltung haben wir uns nicht leicht gemacht, sie ist momentan allerdings notwendig und richtig. Wir werden unseren Beitrag in der Zukunft fortsetzen.“
Der Umzug der Leopardin May nach Ungarn fand in der letzten Woche statt. Am 8. September wird der Indische Löwe Boris in den Zoo Besancon im Osten Frankreichs ziehen, anschließend wird sein Weibchen Churchilla in den Zoo Rotterdam reisen. Wie auch mit Shakira, haben die Pfleger mit May und Boris das Betreten des Laufgangs zur Transportbox vorher geübt, sodass der Transport stressfreier und ohne Narkose verlaufen kann. Zukünftig wird sich das umgebaute Alfred-Brehm-Haus auf Tiere aus dem Regenwald konzentrieren. Folgende Schlüsselarten sollen dann dort ein neues Zuhause finden: Hinterindischer Tiger, Nebelparder, Sumatra-Tiger, Malaienbär, Asiatische Goldkatze, Java-Leopard, Sunda-Gavial und – ganz neu – das stark bedrohte Goodfellow-Baumkänguru.
„Bei der Auswahl der Tierarten war der Grad ihrer Bedrohung in der Wildbahn ein entscheidender Faktor, so wie es von europäischen und deutschen Richtlinien auch gefordert wird", erklärt Zoound Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem die Entscheidung. „Mittelfristig sind im Rahmen des Ziel- und Entwicklungsplans neue Anlagen für Löwen und China-Leoparden an einer anderen Stelle im Tierpark vorgesehen.“

