„Tirunesh“ & Co. auf wichtiger Mission

Auswilderung von Wisenten aus Tierpark und Zoo Berlin

    Weitläufiges Grasland durch das Rothirsche ziehen, dichte Wälder durch die Braunbären streifen, geschwungene Berg-Gewässer in denen Biber Burgen bauen - diese Idylle vermisst heute eine ganz besondere Art: den Wisent. Das größte Landsäugetier Europas gilt seit über 90 Jahren in der Natur als ausgestorben, war einst auch in Rumänien zu finden und soll nun schon bald dorthin zurückkehren. Im Rahmen des Projekts „Maßnahmen zur Wiederansiedlung des Wisents in Rumänien“ wildern Tierpark und Zoo Berlin gemeinsam mit dem WWF Rumänien Wisente aus.

    Am 15. Mai 2018 verließen fünf Wisente Berlin in Richtung Rumänien. Die Tiere, von denen eines im Zoo Berlin, drei im Tierpark Berlin und das fünfte im Wisentreservat Damerower Werder geboren wurden, sollen im kommenden Herbst zusammen mit weiteren Wisenten aus europäischen Einrichtungen in der Nähe der rumänischen Gemeinde Armeniș, in den Tacru-Bergen der Süd-Karpaten, ausgewildert werden. Die Gruppe wurde dabei gezielt nach sozialen und genetischen Gesichtspunkten für die Wiederansiedlung zusammengestellt. Die 2010 im Tierpark geborene Wisent-Kuh „Tirunesh“ übernimmt dabei die Leitfunktion in der ansonsten sehr jungen Herde.

    Nachdem sich die Wildrinder bis zum Herbst in einem eingezäunten Areal an ihre neue Heimat gewöhnt haben, sollen sie nach Öffnung der Zäune zur biologischen Vielfalt der dortigen Naturlandschaft beitragen. „Der Wisent übernimmt eine Schlüsselrolle in der Erhaltung der Ökosysteme der Südkarpaten“, erklärt der Kurator und stellvertretender Zoologischer Leiter des Tierpark Berlin Christian Kern. „Als größter europäischer Pflanzenfresser ist er für die natürliche Pflege der Vegetation unersetzlich und schafft somit notwendige Lebensraumbedingungen für andere Tier- und Pflanzenarten.“

    Die Organisation, Koordination und wissenschaftliche Betreuung der Wisent-Auswilderung vor Ort übernimmt der WWF Rumänien. Dieser ist auch für die anschließende Beobachtung der wiederangesiedelten Tiere sowie der sich daraus entwickelnden Population verantwortlich. In jeder Gruppe bekommt mindestens ein Wisent vor der Auswilderung ein GPS-Ortungshalsband, um somit die Entwicklung der Population bestmöglich nachvollziehen zu können. Von den Berliner Tieren trägt daher die zukünftige Leitkuh „Tirunesh“ bereits seit April einen solchen Sender.

    2018 werden aus insgesamt neun europäischen Einrichtungen 23 Wisente im Rahmen des Projekts in zwei rumänischen Naturschutzgebieten ausgewildert – in den Tacru- und in den Rusca-Bergen. Beide Gebiete zusammen erstrecken sich über eine Fläche von rund 83.000 Hektar in den Karpaten. Bereits 2016 konnten die ersten Wisente in den Tacru-Bergen wiederangesiedelt werden, sodass dort heute rund 30 Tiere leben, die 2017 zum ersten Mal für Nachwuchs sorgten. „Für unser langfristiges Ziel, innerhalb der nächsten 25 Jahren eine Population von rund 1.000 Wisenten in den Südkarpaten aufzubauen, benötigen wir solch starke Partner wie die Zoologischen Gärten Berlin“, so Dr. Mariana Druga, zuständige Projekt-Managerin des WWF Rumänien. Damit gilt dieses Projekt als größtes für den Wisent überhaupt. Zu den Zielen zählen außerdem der Aufbau eines Zuchtzentrums vor Ort sowie die Reduzierung der Bedrohungsfaktoren der Wisente. Das gesamte Projekt wird durch die Organisation „Rewilding Europe“ sowie durch „LIFE“ finanziert. „LIFE“ ist das Förderprogramm der EU für Umwelt, Naturschutz und Klimapolitik.

    Der Wisent wurde 1927 in der Natur durch den Menschen gänzlich ausgerottet. Nur dank etwa 70 Tieren in ausschließlich menschlicher Obhut – überwiegend in zoologischen Einrichtungen – konnte diese Tierart vor dem endgültigen Aussterben gerettet werden. Um das weitere Überleben der Art durch eine planmäßige Erhaltungszucht zu sichern, wurde im August 1923 durch die Initiative europäischer Zoodirektoren und Wissenschaftler die „Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“ im Zoo Berlin gegründet. Diese gemeinsamen Bemühungen sind somit der Vorläufer der heutigen Erhaltungszuchtprogramme für viele bedrohte Tierarten. Bereits seit 1872 zählen Wisente zum Tierbestand des Zoo Berlin. Auch der Tierpark trägt seit seiner Eröffnung 1955 beachtlich zur Erhaltungszucht der Wisente bei. Bis heute wurden in den Zoologischen Gärten Berlin über 200 Wisente geboren. Die Erhaltungszucht in menschlicher Obhut ist die Basis für alle wiederangesiedelten Populationen in Europa – derzeit etwa 1.450 Tiere in 14 Population innerhalb der EU. Da diese Populationen in den meisten Fällen untereinander nicht verbunden und nur fünf davon größer als 100 Tiere sind, gilt der Wisent laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) als gefährdete Tierart.

    „Vier der fünf Wisente, die nun ausgewildert werden, wurden hier in Berlin geboren“, freut sich Zoo- und Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem. "Neben der Schaffung einer Reservepopulation gehört auch die Wiederansiedelung von Tierarten in nachhaltig geschützten Gebieten zu den heutigen Aufgaben einer zoologischen Einrichtung. Es freut mich sehr, dass wir hiermit erneut verdeutlichen können, wie Artenschutz im Zoo und in der Natur Hand in Hand funktionieren und sich darüber hinaus immer stärker verzahnen und ergänzen“.

    Öffnungszeiten

    Heute, 12. Mai
    9:00 - 18:30 Uhr
    Letzter Einlass: 17:00 Uhr
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    • Eisbären-Talk 11:00 Uhr
    • Chaco-Pekaris 12:30 Uhr
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