Foto: © ZGF/Anne Dohrmann
In den weiten Steppen Kasachstans steht für die in diesem Jahr vom Tierpark Berlin nach Kasachstan umgesiedelten Przewalski-Pferde der erste Winter in ihrem neuen Lebensraum bevor. Die Wildpferde, die im Juni 2024 im Rahmen des vom Zoo Prag initiierten Projekts „Return of the Wild Horses“ ihre Reise antraten, bereiten sich derzeit in einer geschützten Auswilderungsstation auf das Leben in der rauen Natur der zentralasiatischen Steppe vor. Mit dem nahenden Winter hat nun die entscheidende Phase der Akklimatisierung begonnen, in der sich die Tiere auf Temperaturen von -20 bis -30 Grad Celsius und in extremen Nächten sogar bis -40 Grad, einstellen müssen.
„Seit ihrer Ankunft haben die Wildpferde gut an Gewicht zugenommen – eine wichtige Voraussetzung, um den bevorstehenden Winter zu meistern. Unsere Kolleg*innen in Kasachstan werden die Herde weiterhin sorgfältig beobachten, denn die nächsten Monate sind entscheidend für das Überleben der Tiere in der Steppe“, erklärt Christian Kern, Zoologischer Leiter von Zoo und Tierpark Berlin, der die Pferde im Frühjahr persönlich nach Kasachstan begleitete.
Voraussichtlich im kommenden Jahr wird für die Herde, zu der auch die Berliner Wildpferde Umbra, Sary, Wespe und Tessa gehören, der große Moment kommen: Sie werden die Tore der Auswilderungsstation hinter sich lassen und in die kasachische Steppe entlassen. Um das Verhalten der Herde besser nachvollziehen zu können, wird eines der Tiere mit einem GPS-Sender ausgestattet sein.
Das Przewalski-Pferd, das als das letzte noch lebende Wildpferd der Erde gilt, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in der Wildnis ausgerottet und überlebte nur durch einige wenige in menschlicher Obhut gepflegte Tiere. Dank intensiver Erhaltungszuchtprogramme, die in den 1950er Jahren mit einem internationalen Zuchtbuch im Zoo Prag begannen, existieren heute wieder über 1.500 Przewalski-Pferde. Die ersten erfolgreichen Wiederansiedlungen fanden ab den 1980er Jahren in China und in der Mongolei statt, und nun kehren die Wildpferde auch nach Kasachstan zurück.
Der Tierpark Berlin spielt, neben der Projektleitung Zoo Prag, eine Schlüsselrolle als Artenschutzzentrum für das Projekt und züchtet gezielt Przewalski-Pferde zur Wiederansiedlung in Kasachstan. Przewalski-Pferde zeichnen sich durch ihre Robustheit und ihr typisches Aussehen mit fehlendem Schopf und markantem Aalstrich entlang des Rückens aus, die sie klar von domestizierten Pferden unterscheiden.
Earthshot Prize für die „Altyn Dala Conservation Initiative“
Parallel dazu wurde die „Altyn Dala Conservation Initiative“, in deren Rahmen die Przewalski-Pferde in die „Goldene Steppe“ zurückkehren, diese Woche mit dem renommierten Earthshot Prize 2024 in der Kategorie „Natur schützen und wiederherstellen“ ausgezeichnet. Dieser vom britischen Prinzen William ins Leben gerufene Preis würdigt weltweit wegweisende Naturschutzprojekte und unterstreicht das herausragende Engagement der beteiligten Partner.
Die „Altyn Dala Conservation Initiative“ – eine Kooperation zwischen dem kasachischen Umweltministerium, der Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK), der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), Fauna & Flora und der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) – widmet sich der Wiederherstellung von Steppen-, Feucht- und Wüstenökosystemen in Kasachstan. Auf über 75 Millionen Hektar bietet dieses Schutzgebiet bedrohten Arten wie der Saiga-Antilope, dem Steppenadler und nun auch den Przewalski-Pferden wieder einen sicheren Lebensraum.
Vera Voronova, Exekutivdirektorin des ACBK, zeigte sich erfreut über die Auszeichnung: „Den Earthshot Prize zu gewinnen, ist eine unglaubliche Ehre und ein Beweis für die Kraft der Partnerschaft im Naturschutz. Die Unterstützung des Preises wird es uns ermöglichen, unsere Initiativen auszubauen und neue Ressourcen zu gewinnen.“
Auch Christian Kern, Zoologischer Leiter von Zoo und Tierpark Berlin, gratuliert den Partnern in Kasachstan herzlich: „Diese Auszeichnung ist ein wichtiges Signal für den globalen Naturschutz. Wir sind stolz darauf, dass unsere Wildpferde einen Beitrag zur Wiederbelebung der Altyn Dala leisten.“ Der Tierpark Berlin hat sich neben den Wildpferden auch finanziell an der Umsiedlung von Kulanen beteiligt – einer bedrohten Wildeselart. Der Kulan spielt als Schlüsselart der Steppe eine bedeutende Rolle für das Ökosystem, indem er mehrere essenzielle Leistungen erbringt. Dazu gehört das Graben im Schnee und in ausgetrockneten Flussbetten, um knappe Ressourcen zugänglich zu machen, sowie die Verbreitung von Samen über große Distanzen.
Dank der Förderung durch den Earthshot Prize plant das Altyn Dala Projekt, die geschützten Flächen der Steppe weiter auszubauen. Steppen sind von entscheidender Bedeutung für den Naturschutz, da sie einzigartige Lebensräume für bedrohte Tierarten bieten und eine wichtige Rolle im Klimaschutz spielen, indem sie große Mengen an Kohlenstoff speichern. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt unterstützt als Hauptpartner der „Altyn Dala Conservation Initiative“ und arbeitet eng mit der ACBK zusammen, um den Erhalt dieses wertvollen Lebensraums langfristig zu sichern. „Es ist eine große Ehre, den Earthshot Prize 2024 zu gewinnen! Diese Auszeichnung würdigt unsere bisherigen Erfolge und wird uns helfen, weiterhin eine lebensfähige Population von Przewalski-Pferden und anderen Arten in Zentralasien zu etablieren“, erklärt Dr. Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.
Die Altyn Dala Steppe erstreckt sich auf einer Fläche von 750 000 km2 über ganz Kasachstan, von der Grenze zu Usbekistan im Süden bis nach Russland im Norden. Die Kombination aus Grasland, Halbwüste und Feuchtgebieten beherbergt eine große Vielfalt an Wildtieren, darunter Steppenadler und Wölfe. Mehr als 10 Millionen Zugvögel ziehen hier jedes Jahr durch die Feuchtgebiete, die zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören. Bis vor rund 200 Jahren gehörte auch das Przewalski-Pferd zu den prägendsten Steppenbewohnern.