Der Tierpark Berlin als Zuhause - 65 Jahre Vielfalt

In der Jubiläumswoche nehmen wir euch mit auf eine kleine geschichtliche Reise durch den Tierpark Berlin.

Der Tierpark ist ein Ort der Vielfalt. Er ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil im Leben vieler Menschen, sondern vor allem auch das Zuhause von tausenden tierischen Bewohnern. Christian Kern ist als Zoologischer Leiter für das Wohlergehen von Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren zuständig. Er trägt die Gesamtverantwortung für über 120 Mitarbeiter im Bereich Zoologie, darunter Zootierpfleger, Zoologen und Tierärzte, sowie 10.000 Tiere. Anlässlich des 65. Tierparkgeburtstags verrät er uns im Interview, woher die ersten Tiere im Tierpark kamen, warum Tiere überhaupt in Zoos leben und was sich bei den tierischen Tierpark-Bewohnern inzwischen verändert hat.

Herr Kern, beginnen wir mit einer ganz grundlegenden Frage: Warum leben Tiere überhaupt in einem Zoo? Welches Ziel verfolgt der Tierpark Berlin mit der Haltung von Tieren außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes?

Als der Tierpark Berlin 1955 eröffnet hat, lebten 2,7 Milliarden Menschen auf der Welt, heute sind es rund 7,7 Milliarden. Wir Menschen dominieren damit die Welt und Wildtiere sowie ihre Lebensräume leiden stark darunter. Zoologische Gärten sind in ihrer Stadt oder Region in der Regel die beliebteste Kultureinrichtung und dieses Potenzial nutzt auch der Tierpark Berlin. Am Ende des Tages geht es darum, zukünftig ein nachhaltiges Miteinander von Mensch und Natur zu finden und zu gestalten. Damit das möglich ist, muss es die Möglichkeit geben, dass wir Menschen die Tiere dieser Welt und die Gründe für ihr Verschwinden zunächst einmal kennenlernen können. Ganz einfach, aber sehr wichtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Okapi oder Zwergflusspferd in den westafrikanischen Regenwäldern selber einmal sehen werden, geht gegen Null. Das Sehen und Erleben von Tieren mit allen Sinnen ist für einen großen Teil von Menschen daher nirgendwo anders möglich und so nachhaltig, wie in einem Zoo. Weil sich die Lebensweise des Menschen globalisiert hat, hängt auch unser Handeln in Europa viel öfter als vermutet mit Auswirkungen in den weit von uns entfernten Lebensräumen von Tieren zusammen. Daneben dient der Zoo tatsächlich als Zufluchtsort für vom Aussterben bedrohte Tierarten. Indem Zoologische Gärten außerhalb der natürlichen Lebensräume soggenannte Reservepopulationen von potenziell gefährdeten, bedrohten bis hin zu in der Natur bereits ausgerotteten Tierarten aufbauen und damit u.a. Projekte zur Wiederansiedlung unterstützen, leisten sie einen relevanten Beitrag zum langfristigen Erhalt bedrohter Tierarten insgesamt. Dazu gehört nicht nur die Haltung und Pflege der Tiere in ihren Ersatzlebensräumen. Eingebettet in internationalen Netzwerken wie dem Europäischen Zooverband EAZA findet das aktive Management jener Reservepopulation mittels Zuchtbücher und Ex-Situ-Programmen wie dem EEP statt. Ziel ist es dabei unter anderem - über geografische und politische Grenzen hinweg - weltweit eine möglichst große genetische Vielfalt innerhalb einer Tierart zu bewahren. Aber auch die Altersstruktur und soziale Aspekte innerhalb dieser Reservepopulationen werden dabei berücksichtigt. Eine Reservepopulation wirkt letztlich wie eine Versicherung – was uns wichtig ist versichern wir Menschen.

Wissen Sie, welches damals die allerersten Tiere Tierpark waren?

Im Eröffnungsjahr 1955 beherbergte der Tierpark 400 Tiere aus 130 Arten. Darunter waren große Säugetiere wie Afrikanische Löwen, Asiatische Elefanten, Trampeltiere, Dromedare, Wisente, Bisons Braun-, Schwarz- und Eisbären. Außerdem gab es damals bereits die seltenen Davidshirsche, Europäische Sumpfschildkröten, Krauskopf- und Rosapelikane, Bennettkängurus sowie Javaner-und Rhesusaffen. Für den noch jungen Tierpark war das damals schon ein beachtlicher Tierbestand, vor allem, weil die Planungs- und Ausführungsphase sehr kurz war.

So einen ganzen Tierpark aus dem Nichts zu erschaffen muss eine große Herausforderung sein. Woher kamen damals die Tiere?

Um den ersten Tierbestand für den Tierpark zusammenzustellen sind die Tiere damals aus anderen Zoologischen Gärten sowie von Tierhandelsfirmen eingetroffen. Der Tierpark Berlin hat sich vergleichsweise schnell ein großes und internationales Netzwerk sowie eine gute Reputation aufgebaut. So trafen Tiere buchstäblich aus der ganzen Welt in Friedrichsfelde ein. Und später als dann die ersten Jungtiere geboren wurden, reisten diese ebenfalls wieder hinaus in die ganze Welt.

Seinen außergewöhnlichen Tierbestand verdankt der Tierpark unter anderem auch einem besonderen historischen Umstand: Der Tierpark fungierte jahrzehntelang als Transit- und Quarantänestation für Tierarten aus der ehemaligen Sowjetunion in den Westen. So machten viele Tiere dieses Landes im Tierpark Halt, bevor sie von Berlin aus weiterreisen durften. Konkret erreichten auf diesem Weg zahlreiche Trampeltiere, Dromedare, Saigas und Turkmenischen Halbesel (Kulane), aber auch Sibirische Steinböcke, Sibirische Moschustiere und Jungfernkranichen den Tierpark. Darüber hinaus „absolvierten“ Tiere auf der Durchreise zur Zoologischen Gesellschaft San Diego - heute San Diego Zoo Global genannt – ihre Quarantäne im Tierpark Berlin. In den achtziger Jahren entwickelten sich intensive Beziehungen zwischen dem Zoo San Diego und China, und so kamen beispielsweise Sichuan-Takine, Blauschafe, Weißlippenhirsche, Schopfhirsche, Chinesische Gorale und Östliche Kiangs aus China in den Tierpark - alles Tierarten die zuvor fast nie außerhalb Chinas gehalten wurden. Nach Beendigung der Quarantäne im Tierpark reisten die meisten Tiere weiter in den Zoo San Diego und San Diego Zoo Safari Park. Einige dieser Tiere durften aufgrund von veterinärmedizinischen Anforderungen allerdings nach Beendigung der Ausfuhrquarantäne nicht in die USA einreisen und diese blieben dann im Tierpark und begründeten bei uns neue Zuchtgruppen. So intensivierten sich auch die Verbindungen des Tierparks in den USA und als Folge erreichten besondere Tierarten wie bspw. Schwarzweiße und Rote Varis, Panzernashörner, Grevy-Zebras, Arabische Oryxantilopen oder Asiatische Rothunde den Tierpark. Durch diese langjährigen Beziehungen kamen 1994 auch die ersten zwei Koalas nach Deutschland und waren als Leihgabe vom Zoo San Diego sechs Monate lang im Alfred-Brehm-Haus zu sehen.

Was hat sich in den vergangenen 65 Jahren bei der Auswahl und Zusammenstellung des Tierbestands am meisten verändert?

Die Zusammensetzung eines Tierbestandes und die Haltung von Wildtieren in einem Zoologischen Garten sind nie statisch. Beides ist wie die Tiere selbst ein lebender Organismus und unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Basierend auf den anfangs genannten Aufgaben, setzen sich Tierbestände in wissenschaftlich arbeitenden und in internationalen Verbänden organisierten Zoos heute entsprechend ihrer Ziele im Bereich Umweltbildung und Artenschutz zusammen. Es geht nicht mehr darum, möglichst viele Tierarten zu zeigen. Die bei uns in möglichst naturnah gestalteten Ersatzlebensräumen lebenden Tiere sind Botschafter für bedrohte Ökosysteme. Die koordinierte Erhaltungszucht ist ein Weg zum Schutz von bedrohten Tierarten. Konkret bedeutet das: Der Schwerpunkt im Tierbestand wird sich, mit zunehmendem Druck auf Wildtiere in der Natur, noch stärker als bisher auf gefährdete bis hin zu vom Aussterben bedrohte Tierarten konzentrieren. Die Haltungsbedingungen werden dabei kontinuierlich überprüft und wenn wir den Tieren im Tierpark keine artgemäße Haltung (mehr) bieten können, werden wir sie nicht mehr halten. Das war Anfang der 1990ger die Grundlage für die Entscheidung, die Haltung von großen Menschenaffen wie Flachlandgorillas und Sumatra-Orang-Utans sowie Robben im Tierpark zu beenden. Aus demselben Grund haben wir uns 2016 dazu entschieden, die Haltung von Löwen und Jaguaren vorrübergehend aufzugeben. Und deshalb werden wir zukünftig auch nur noch eine der beiden Arten von Elefanten im Tierpark halten.

Früher kamen Tiere aus der Wildnis in den Zoo, heute ist die Idee, es genau andersrum zu tun. Nachwuchs war damals jedoch noch seltener. Auf welche Jungtiere war und ist der Tierpark besonders stolz?

Der Tierpark pflegt einen vergleichsweise großen und außergewöhnlichen Tierbestand mit verschiedenen Schwerpunkten. Im Laufe der vergangenen 65 Jahre konnten unsere Tierpfleger, Zoologen und Tierärzte Erfahrungen mit vielen verschiedenen Tierarten sammeln und es gelang viele der Arten zu vermehren, zum Teil auch erstmalig in menschlicher Obhut. Deshalb fällt es hier schwer einige Arten besonders herauszustellen. Nur ein Beispiel: Im Tierpark wurden in den vergangenen 65 Jahren 119 Sumatra-Tiger und 125 Amur-Tiger geboren. Sumatra-Tiger sind in der Natur vom Aussterben bedroht und Amur-Tiger sind stark gefährdet. In der Natur gibt es kaum noch geeignete Lebensräume für diese Tiere. In den globalen Erhaltungszuchtprogrammen – an welchen auch der Tierpark teilnimmt – leben ebenso viele oder sogar mehr dieser Tiger in menschlicher Obhut als in der Natur. Dies zeigt, was als übergeordnetes Ziel für uns zählt: Der langfristige Erhalt bedrohter Tierarten. In diesem Kontext konnten wir uns beispielsweise auch über mehrfachen Nachwuchs bei Panzernashörnern, Asiatischen und Afrikanischen Elefanten freuen dürfen. Enorm wichtig für den Arterhalt sind auch unsere mehr als 100 Fohlen beim Przewalski-Wildpferd, über 160 Kälber beim Wisent, 120 Kälber bei der Mhorrgazelle und 50 Küken beim Bartgeier. Ein Teil dieser im Tierpark zur Welt gekommenen Jungtiere ist im Rahmen von Wiederansiedlungsprojekten in ihre ursprünglichen Verbreitungsgebiete zurückgekehrt. Darauf sind wir wirklich stolz und es sind Momente wie diese für die wir unsere Arbeit tun und lieben. Wir betrachten Tiere also keinesfalls als unser Eigentum, vielmehr gehören sie der Welt und ein Teil der Welt sollte zukünftig auch wieder ihnen gehören.

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Heute, 7. Mai
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